Aus der beeindruckenden Sammlung der Brüder Grimm stammt das Märchen «Hans mein Igel», eine Erzählung, die weit mehr als nur die Abenteuer eines Helden umfasst. Bevor wir uns auf eine tiefergehende Analyse dieses ungewöhnlichen Märchens einlassen, lade ich Sie herzlich ein, sich zunächst mit dem Originaltext vertraut zu machen. Dieser Schritt wird Ihnen ein umfassenderes Verständnis der nachfolgenden Betrachtungen ermöglichen, in denen ich die symbolische und narrative Bedeutung der Figur Hans mein Igel untersuche und seine Reise von einem vermeintlichen Aussenseiter zu einer zentralen Gestalt in seiner eigenen Geschichte aufschlüssele.

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Die tiefere Bedeutung von «Hans mein Igel»

Das Vaterproblem

In diesem Märchen erkennt man ein «Vaterproblem», genauer gesagt zwei. Es war und ist teils heute noch ein Fluch, wenn ein Mann, besonders ein Bauer oder Geschäftsmann mit Geld und Gut, keine Nachkommen hat. Wer soll sein Geld und Gut einmal erben und weiterführen? Wer sorgt für ihn im Alter? Gerade in der bäuerlichen Gesellschaft oder wenn ein Betrieb über etliche Jahre mit Erfolg aufgebaut wurde, sind Erben von immenser Bedeutung. Der Name und die Tradition der Familie oder Firma müssen weiterleben.

Zum Zweiten wird in diesem Märchen der Bauer von seinen Kollegen gefoppt, die ihn an einer empfindlichen Stelle treffen, indem sie fragen, warum er keine Kinder habe – eine deutliche Anspielung auf seine Potenz. Das trifft ihn, macht ihn wütend und lässt ihn zu dem irrwitzigen Wunsch hinreissen: «Ich will ein Kind haben, und sei es ein Igel!»

Die Geburt und Isolation von Hans mein Igel

Der trotzige Wunsch des Bauers geht in Erfüllung. Seine Frau gebärt einen Jungen, der halb Mensch, halb Igel ist. Die Eltern schämen sich seiner und isolieren ihn von der Umwelt. Indem sie ihm den Namen «Hans mein Igel» geben, drücken sie ihm das Image auf, ein stacheliger, unliebsamer Mensch zu sein. Zum Verhalten der Igel schreibt der Zoologe Bernhard Grzimek:

«Igel sind Einzelgänger und weichen Begegnungen mit Artgenossen meist aus.»

Zu solch einem Einzelgänger wird Hans durch das Verhalten seiner Eltern. Hans ist ein ungeliebtes und abgelehntes Kind, das schweren und erniedrigenden Demütigungen ausgesetzt ist. Sein Stachelkleid wird sein Schutzschild und gibt ihm die nötige Rückendeckung.

Die innere Wandlung

Allen Widrigkeiten zum Trotz macht der Junge eine innere Wandlung durch. Er entdeckt seine eigenen Stärken, entwickelt Selbstbewusstsein, setzt sich mit seinem Vater auseinander und kann letztendlich ein glückliches Leben führen. Das Märchen will uns zeigen, dass es nie zu spät ist, eine glückliche Kindheit nachzuholen. Mathias Jung zeigt in seinem Buch «Seelenwunden“, wie es geht: erinnern, beweinen, bewüten, begreifen, beenden und schließlich versöhnen.

Das Hans-mein-Igel-Syndrom

Heinz-Peter Röhr benennt das Märchen als «Das Hans-mein-Igel-Syndrom» und vergleicht es in seinem Buch «Wege aus dem Chaos» mit der Borderline-Störung. Die Übergänge zwischen gesund und krank sind bekanntlich fliessend, und so gibt es natürlich viele Menschen, die weniger stark gestört sind und trotzdem einige Merkmale bei sich selber finden, die an das Hans-mein-Igel-Syndrom erinnern. Jeder Mensch hat einen mehr oder weniger dicken «Igelpelz».

Das Drama eines Menschen, so schreibt Röhr, beginnt mit dem Drama seiner Eltern. Dies ist die erste Feststellung, die übrigens aus vielen Märchen bekannt ist. Das Drama der Eltern spiegelt sich immer mehr oder weniger im Leben eines Menschen. Eltern sind Übermittler des Erbgutes und üben – mit all ihren positiven und negativen Eigenschaften – starken Einfluss aus, besonders in den ersten Lebensjahren. Doch Kinder sind nicht dazu da, die Probleme der Eltern zu lösen. Sie wollen geliebt werden, einfach so, wie sie sind, und nicht, um elterliche Minderwertigkeitsgefühle oder Fehler zu beheben. Bereits im Mutterleib spüren Kinder, wie die Mutter zu ihrer Schwangerschaft steht. Lehnt sie das werdende Kind ab, oder ist sie in freudiger Erwartung? Wie steht sie zum Vater des Kindes? Steht der Vater zum Kind? Eine Ablehnung, die oft schon vor der Geburt stattfindet, aber auch nachher entstehen kann, wenn das Kind – wie Hans mein Igel – nicht dem Bild entspricht, das sich die Eltern von ihm gemacht haben, kann der Nährboden für eine psychologische Problematik sein.

Der Einfluss der Kunsttherapie

Ich möchte hier aber ganz klar erwähnen: Nicht immer ist ein Fehlverhalten von Eltern bewusst herbeigeführt, die meisten versuchen ihr Bestes zu geben. Auch das Umfeld und noch viele weitere Faktoren spielen in der Entwicklung eines Menschen mit.

Die Kunsttherapie kann einerseits Eltern helfen, ihre Kinder besser zu verstehen und mit der Problematik, die eine psychische Erkrankung mit sich bringt, umzugehen, aber auch den Kindern, wenn sie sich z.B. einigeln, absondern oder sich im Leben nicht mehr zurechtfinden. Ohne viel zu reden wird über das Gestalten, über Geschichten, Familienaufstellungen oder Theater etc. an ein Problem herangetastet und der Ursprung herauskristallisiert. Das Selbstwertgefühl kann gestärkt werden und es werden Ressourcen erarbeitet, damit der Klient sein «Stachelkleid» ablegen kann und sich in der Gesellschaft wieder wohlfühlt.

Erstgespräch

Im Erstgespräch lernen Sie mich und meine Arbeitsweise kennen. Ebenso erhalten Sie die Möglichkeit, einen ersten Blick ins Atelier zu werfen und sich mit dem Angebot vertraut zu machen. Im Gespräch können wir gemeinsam Fragen klären. Der persönliche Kontakt hilft Ihnen beim Entscheid, ob Sie sich eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen können. Das Erstgespräch dauert ungefähr eine Stunde und ist kostenlos.

Ich werde mich umgehend bei Ihnen melden. Die Daten werden zu Ihrer Sicherheit verschlüsselt übertragen.

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